Im stark regulierten Finanzdienstleistungssektor ist es von besonderer Bedeutung, ethische Standards einzuhalten und die Integrität der digitalen Infrastruktur zu gewährleisten. Dies bildet die Grundlage für Vertrauen, insbesondere wenn sich das Geschäft in hohem Maße auf Daten und KI-Modelle stützt.
Mit dem technischen Wandel gehen auch Störungen einher. Die prognostizierten großen Auswirkungen durch KI und transformative Technologien bringen daher voraussichtlich auch größere Turbulenzen mit sich. Den bedeutenden Fortschritten in diesem Bereich stehen ernstzunehmende Bedenken bezüglich Voreingenommenheit, Datenschutz und geistigen Eigentumsrechten gegenüber.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion während des Weltwirtschaftsforums im Iglu-Dorf in Davos ging Srinivasan Seshadri, Chief Growth Officer und Global Head für Finanzdienstleistungen bei HCLTech, auf dieses Thema ein. Dabei erläuterte er, wie Finanzdienstleister Vertrauen in den Bankingsektor schaffen können.
Wiederherstellung von Vertrauen in den Bankingsektor
Vertrauen wird in der Welt ein immer selteneres Gut. Der Großteil der Menschen bringt einer Sache erst dann Vertrauen entgegen, wenn Beweise für die Vertrauenswürdigkeit erbracht wurden. Vertrauen muss über Jahre aufgebaut werden. Es kann in Sekunden zerstört werden. Und es wieder aufzubauen braucht eine Ewigkeit. Das Bedürfnis nach Vertrauen wird noch einmal dadurch verstärkt, dass der Umgang mit dem Geld der Menschen ein sensibles Thema ist. Daher ist das höchste Gebot hier Umsicht, Diplomatie und Einfühlungsvermögen.
Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 erreichte das Misstrauen zwischen Verbrauchern und Finanzdienstleistern zuvor unerreichte Höhen. Heute wird dieses Misstrauen durch die folgenden sechs Kernfaktoren verstärkt: Verkäufe unter falschen Vorgaben, der Eindruck von Geschäftemacherei, Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, uneinheitliche Customer Experience, mangelnde Transparenz und eine zunehmende Anzahl von Cyberangriffen.
„Der Stellenwert von Vertrauen ist im Zeitalter von Banking-Apps und sozialen Medien noch mehr gestiegen“, so Seshadri.
Warum ist Vertrauen wichtig?
Laut Seshadri führt ein größeres Vertrauen in den Bankingsektor zu einem realen BIP-Wachstum mit gesteigerter Produktivität, besserem Humankapital und höherem Investitionskapital. Im Bankingsektor sollte das Vertrauen als zentrales Gut betrachtet werden.
„Wird mehr Geld eingenommen, steigt die Zuversicht der Menschen und damit wird Vertrauen geschaffen. Die Basis für diesen Erfolgszyklus ist Vertrauen“, sagte er.
Jayee Koffey, Senior Executive Vice President, Global Head of Enterprise Execution und Chief Corporate Affairs Officer bei BNY Mellon, fügte hinzu: „Resilienz sollte ein Eckpfeiler der Finanzdienstleistungen sein. Resilienz nährt das Vertrauen. Ohne Vertrauen gibt es kein florierendes und nachhaltiges Finanzökosystem.“
Für Subhashini Chandran, Vice President, Social Impact für die Region Asien-Pazifik beim Mastercard Center for Inclusive Growth, ist Vertrauen der Ausgangspunkt, um Menschen ohne Bankkonto zu erreichen und ins Finanzsystem einzubinden.
Technologie als Motor des Wandels
Die Technologie hat den Wandel im Finanzdienstleistungssektor maßgeblich vorangetrieben. Der Sektor ist oftmals erster Anwender der neuesten Technologien. Seshadri gab jedoch zu bedenken, dass „Vertrauen durch gut gemachte Technologie wichtiger ist als die Jagd nach dem nächsten großen Ding.“
Er verwies auf mehrere Beispiele, darunter:
- Daten, Cloud und Cybersicherheit für effektive Datenverwaltung, Datenschutz und Datenverfügbarkeit
- KI, Analytik und IoT für Personalisierung in großem Maßstab und intelligente Lösungen
- GenAI für Betrugserkennung
- Blockchain für Transaktionsintegrität
- Quantencomputing für Cybersicherheit, Risikomanagement und Optimierung
Im heutigen Umfeld ist „die Kombination von Technologie und Menschen ein wesentlicher Bestandteil des Vertrauens“, so Víctor Matarranz, Senior Executive Vice President und Leiter des Bereichs Wealth Management and Insurance bei Banco Santander.
Speziell zum Thema KI sagte Koffey: „Wir sind begeistert über das Potenzial von verantwortungsvoll eingesetzter KI und über die Erweiterung der Kernprinzipien des Risikomanagements.“ Hierzu verwies sie auf prädiktive Handelsanalyse als Anwendungsfall in der Produktion. Hierbei wird KI auf einen umfangreichen Datensatz angewendet um es Kunden zu ermöglichen, mit Voraussicht und in transparenter Weise immer erfolgreichere Geschäfte abzuschließen – gerade in Zeiten von Marktstörungen.
„Vertrauen ist nach wie vor eine Grundvoraussetzung für die Implementierung von KI. Gerade für die Entwickler [von Finanzprodukten] ist es von entscheidender Bedeutung zu erkennen, wie effektiv KI [bei unvoreingenommener Herangehensweise und klarer Kommunikation zu Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes] eingesetzt werden kann“, sagte Chandran.
Um den Übergang zu einem als vertrauenswürdig wahrgenommenen und technologiegestützten Sektor zu erleichtern, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, dass die Behörden zum richtigen Zeitpunkt klare Richtlinien zur Verfügung stellen müssen. Allerdings merkte Mostapha Tahiri, Executive Vice President und Chief Operating Officer bei State Street, an: „Die Technologien entwickeln sich so schnell wie noch nie weiter und die Änderungszyklen sind ebenfalls so schnell wie nie. Die Frage ist, wie wir Technologie schnell einsetzen können ohne dabei Risiken einzugehen. Die Behörden und die Infrastruktur müssen mit der Geschwindigkeit der Einführung neuer Technologien Schritt halten.“
Mit Blick auf die Zukunft sind das Risiko und die Kosten der Umstellung von Legacy-Systemen auf neue Technologien erheblich. Die Einführung in großem Maßstab ist eine Herausforderung.
Um in diesem Umfeld einen klaren Weg zu finden, müssen Finanzdienstleister Innovation sowie Aufrechterhaltung und Ausbau von Vertrauen durch verantwortungsvolle und ethische Praktiken ins Gleichgewicht bringen. Dies gilt insbesondere, wenn es um den Schutz sensibler Kundendaten und die Transparenz bei der Integration von neuen Technologien geht.